2022 – Steigen die Zinsen?
Wird das Jahr 2022 das Jahr der Zinserhöhungen?
Die letzten Wochen des Jahres 2021 gehörten den Notenbanken. Da gab es überall die letzten geldpolitischen Sitzungen des jeweiligen Landes – freilich mit sehr unterschiedlichem Ausgang.
Schauen wir doch zur Abwechslung einmal nach Großbritannien. Im Jahr eins nach dem Brexit herrschte auf der Insel im Dezember „eine Mangelwirtschaft wie in der ehemaligen DDR“ – so formulierte es die WELT in einem Kommentar. Pandemie und Brexit zusammen ergaben eine explosive Mischung, die der britischen Wirtschaft den Wind aus den Segeln nahm. Die Bank von England machte deshalb Ende Dezember Nägel mit Köpfen. Als erste große Zentralbank erhöhte sie den Leitzins: von 0,1 auf 0,25 Prozent. Die Britinnen scheinen davon überzeugt: Nur so könne man der weiter steigenden Inflation wirkungsvoll begegnen.
Auch jenseits des Atlantiks ist man gewillt, der Inflation zuvorzukommen. Jerome Powell von der Fed kündigte – gerade erst im Amt bestätigt – ein Ende der Anleihenkäufe bis Ende März 2022 an. Nicht ein bisschen – sondern vollständig. Anschließend solle es im neuen Jahr sogar noch drei Leitzinserhöhungen geben. Die Inflation in den USA führt bereits zu vielfältigen Effekten, die das Wirtschaftsgefüge durcheinanderbringen. Kaufkraftverluste triggern Forderungen nach Lohnerhöhungen. Viele offene Stellen führen zu einem Kampf um Talente. Eine Lohn-Preis-Spirale braut sich nicht nur zusammen, sie ist längst manifest. Jerome Powell hielt bisher das Mantra hoch, dass die Inflation nur vorübergehend steigen würde – seine neue Sicht der Dinge offenbart eine komplette Kehrtwende.
Zinswende bei der EZB?
Und was plant die Europäische Zentralbank (EZB)? Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank sagt dazu: „Ich glaube, es wäre jetzt langsam angemessen, dass die EZB ihre Anleihenkäufe komplett einstellt und dass sie ihre Leitzinsen erhöht, denn wir haben auch im Euroraum ein Inflationsproblem.“ Doch bei der EZB herrscht noch der unerschütterliche Glaube daran, dass alles gut wird. Auch wenn die Inflation in der Eurozone im November 4,9 Prozent betrug und in Deutschland sogar glatte 6,0 Prozent erreichte, wollte sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde Mitte Dezember 2021 nicht zu einer Ruck-Rede durchringen.
Das pandemiebedingte Anleihenkaufprogramm PEPP wolle man immerhin bis März 2022 zurückfahren, aber von einer Zinswende ist in Europa nicht die Rede. Im Gegenteil: Die Nullzinspolitik der EZB solle mindestens noch bis Ende des gerade begonnenen Jahres so weitergehen. Bei vielen Bankern führt das zu Unmut. Für Immobilienkäuferinnen hingegen könnte dies die zuletzt gestiegenen Bauzinsen vielleicht erneut in die Knie zwingen – und ein gutes Finanzierungsklima schaffen.
Bilanz 2021: Die große Zinswende ist ausgeblieben
Immobilienkäuferinnen konnten 2021 noch einmal aufatmen. Aller Unkenrufe zum Trotz haben sich die Bauzinsen in der Rückschau nicht wirklich dramatisch verändert. Das Auf und Ab von Hoffen und Bangen in der Corona-Pandemie – zwischen Impf-Euphorie, einem ruhigen Sommer und der Sorge vor neuen Virusvarianten und Impfdurchbrüchen – beeinflussten die Zinsen erheblich weniger als zunächst angenommen.
Eines ist aber unumstößlich: Die Zinsen verteuern sich in kleinen Schritten von Jahr zu Jahr. Das Jahr 2021 bildete da keine Ausnahme. Insbesondere die kurzfristigen, fünfjährigen Kredite legten um ein gutes Viertelprozent zu. Insgesamt entwickelten sich die Kostensteigerungen aufgrund von Zinserhöhungen aber sehr moderat.
Ein Blick auf das Jahr 2021 zeigt deutlich, dass sich die Zinsen im ersten Dreivierteljahr 2021 moderat aufwärtsbewegten, dabei aber eine hohe Tendenz zu Seitwärtsbewegungen besaßen. Im Grunde genommen ging es im Durchschnitt relativ kontinuierlich „so weiter wie bisher“. Kapriolen schlugen die Zinsen dann allerdings im vierten Quartal. Mehr oder weniger pünktlich zum Beginn des Herbstes zuckten die Zinsen wie eine aufgeregte Fieberkurve. Zwischenzeitlich erreichten sie bei allen Zinsbindungsfristen ihr Jahreshoch – um dann zum Ende des Jahres wieder zu sinken. Wie schon im Vorjahr sind die Zinsen der kurzfristigen Darlehen am stärksten gestiegen. Bei den 5-jährigen Zinsbindungen sind es plus 0,22 Prozentpunkte, bei den 20 Jahre laufenden Krediten nur plus 0,11 Prozentpunkte. Angesichts der aktuell niedrigen und zukünftig wahrscheinlich steigenden Zinsen ist der Rat der Stunde: Wenn du einen Kredit für deine Immobilie abschließt, sichere dir die Zinskonditionen für eine möglichst lange Zeit! Dass sich die langfristig orientierten Kredite so günstig entwickelt haben, macht diese Strategie doppelt attraktiv.
Wichtige Fachbegriffe in diesem Artikel
Fed
ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik
Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Leitzinsen
Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Kerninflation:
Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Ratingagenturen:
Dies sind Unternehmen, welche die Kreditwürdigkeit anderer Unternehmen und Staaten bewerten. Ist die Wahrscheinlichkeit von Kreditrückzahlungen hoch, erhalten die betreffenden Unternehmen/Staaten ein gutes Rating. Das höchste wird als „Triple A“, also AAA bezeichnet. Zu den bekanntesten Ratingagenturen gehören „Standard & Poor’s“, „Moody’s“ und „Fitch“.
Rezession:
Eine Phase im Konjunkturzyklus (daneben gibt es noch Aufschwung, Boom und Depression). Man spricht üblicherweise von einer Rezession, wenn sich die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abschwächt oder zumindest gleichbleibt.
Seitwärtsbewegung:
Von Seitwärtsbewegungen spricht man, wenn sich der Kurs oder die Zinsen weder nach oben noch nach unten bewegen, sondern sich gleichmäßig entwickeln.