Die Grundsteuer-Reform

Zuletzt schien bei der Grundsteuer alles überraschend gut zu verlaufen: Im Februar haben sich Bund und Länder auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das die Reform der Steuer grob festgelegt hat. Nun, knapp eine Woche bevor sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit Landesvertretern trifft, steht offenbar wieder alles zur Disposition.

Erst hatten in der vergangenen Woche der hessische und der hamburgische Finanzminister „Sorgen über den eingeschlagenen Weg“ geäußert. Am Wochenende legte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach. Im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ forderte er einen Neustart der Verhandlungen. Es gelte Steuer- und damit Mieterhöhungen zu vermeiden.

Nun kommen selbst aus der SPD-Bundestagsfraktion neue Forderungen: Der Parlamentarische Geschäftsführer, Carsten Schneider, besteht darauf, dass die Grundsteuer nicht mehr auf die Miete umgelegt werden kann und somit künftig allein vom Eigentümer getragen wird.
Steht das Eckpunktepapier schon wieder vor dem Aus, bevor es genauer diskutiert wurde? Aus Scholz’ Finanzministerium kommen Beschwichtigungen: Man sehe keine unüberwindlichen Hürden. Die Verhandlungen liefen zeitlich wie geplant.

 

Warum ist die Neuregelung nötig?

Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen Jahr die Grundlage der Grundsteuerbemessung für veraltet und verfassungswidrig erklärt. Basis der Abgabe sind Einheitswerte für Grundstücke aus dem Jahr 1935 in Ostdeutschland und aus dem Jahr 1964 für Westdeutschland. Bis Ende 2019 soll die Regierung eine neue Berechnungsgrundlage schaffen, die ab 2025 angewandt werden soll.

Am grundsätzlichen Modell einer dreistufigen Erhebung will die Politik festhalten. Maßgeblich wird also auch künftig zunächst die Bewertung des Grundvermögens sein, auf die eine Steuermesszahl angewandt wird. Ein individueller Hebesatz der Kommunen legt letztlich die endgültige Summe der Grundsteuer fest.

 

Wie will der Staat künftig Immobilien bewerten?

Ähnlich der bisherigen Berechnung werden die Basiswerte für die Berechnung nach einem vereinfachten Ertragswertverfahren berechnet. Nach dem Eckpunktepapier sollen Bodenrichtwerte der Ausgangspunkt für die neuen Berechnungen sein, aber auch das Baujahr oder die durchschnittliche Nettokaltmiete sollen berücksichtigt werden. Laut Bewertungsgesetz müssen die Einheitswerte alle sechs Jahre neu berechnet werden.

Wenn die Reform umgesetzt wird, wird es deutschlandweit voraussichtlich sieben unterschiedliche Stufen für die kommunalen Durchschnittsmieten geben. Das wird dazu führen, dass für Zentren und Ränder derselben Stadt derselbe Mietwert herangezogen wird, erklärt Immobilienökonom Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Allerdings: Liegt die tatsächliche Miete mehr als 30 Prozent unter dem Durchschnitt, können dies Eigentümer ebenfalls geltend machen und so die Last der Grundsteuer senken.

Claus Michelsen, Konjunkturchef und Immobilienökonom des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), moniert den Einbezug der Mieten in die Grundsteuerberechnung: „Wird der Vorschlag umgesetzt, die Gebäudefläche mit dem regionalen Mietendurchschnitt in die Besteuerung einzubeziehen, wird derjenige bestraft, der das Grundstück nutzt. Das macht den dringend benötigten Neubau von Wohnungen unattraktiver“, erklärte er in einem Kommentar.

Henger vom IW ärgert sich zudem darüber, das Baujahr der Gebäude in die Berechnung einfließen zu lassen. Dies führe dazu, dass neuere Gebäude stärker als ältere Gebäude besteuert werden, obwohl diese vielleicht in einem viel schlechteren Zustand sind.

 

Wer zahlt alles Grundsteuer?

Die Grundsteuer geht jeden an: Selbstnutzer zahlen sie genauso wie Mieter. Denn die Abgabe darf auf Mieter umgelegt werden. Der Mieterschutzbund fordert seit Längerem, diese Umlagefähigkeit abzuschaffen. Der Eigentümerverband Haus und Grund fordert gar die komplette Abschaffung der Grundsteuer. Beide Forderungen werden nach heutigem Stand aber nicht erhört.

 

Warum variiert die Steuer so stark?

Im Durchschnitt zahlen Haushalte in den 100 größten deutschen Städten heute 470 Euro pro Jahr für die Grundsteuer, zeigt eine Analyse von IW Consult. Die tatsächlich gezahlten Werte schwanken jedoch stark. Grund dafür sind die Hebesätze, die Kommunen selbst bestimmen dürfen und damit die Summe der zu zahlenden Steuer erheblich beeinflussen.

Im Durchschnitt liegt der Hebesatz bei knapp über 400 Prozent, zeigen Auswertungen des statistischen Bundesamts. Doch allein in den 100 größten Städten ist die Bandbreite groß: Gütersloh setzt den Hebesatz bei 381 Prozent an. Offenbach hat hingegen jüngst einen Anstieg auf 995 Prozent verkündet – und sich somit zur Stadt mit dem höchsten Hebesatz aufgeschwungen.

 

Wer wird profitieren – wer zählt zu den Verlierern?

Weil bislang jahrzehntealte Einheitswerte als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, fürchten viele deutlich höhere Grundsteuerabgaben, wenn nun aktuelle Werte die Basis bilden. Die Bundesregierung wird indes nicht müde zu betonen, dass die Reform aufkommensneutral gestaltet werden soll, dass unter dem Strich also dennoch 14 Milliarden Euro an Grundsteueraufkommen stehen. Diese Absicht schließt jedoch nicht aus, dass es unter den mehr als 11.000 Kommunen in Deutschland große Unterschiede geben wird. Prinzipiell sind sowohl Bodenrichtwerte als auch die durchschnittlichen Mieten in Großstädten und Ballungsräumen höher als in strukturschwachen Regionen. Der Deutsche Landkreistag rechnet daher damit, dass in „herausgehobenen Wohnlagen“ mehr Grundsteuer anfällt als in strukturschwachen Gebieten. Eine exemplarische Rechnung des Bundesfinanzministeriums hatte bereits vor der Einigung auf das Eckpunktepapier diese Vermutung bestätigt: Bei Anwendung eines wertabhängigen Modells, zu dem der Kompromiss zählt, dürfte das Steueraufkommen in Großstädten steigen, in mittelgroßen Städten und Landgemeinden hingegen sinken. In ostdeutschen Bundesländern wird befürchtet, dass hier die Grundsteuer im Vergleich zum heutigen Niveau stärker steigt, da der bisher genutzte Einheitswert hier noch wesentlich weiter zurückliegt. Sachsens Finanzminister Matthias Haß sagte dem MDR, dass er in Leipzig und Dresden mit einem Anstieg der Grundsteuer um 25 Prozent rechne. Allerdings gilt in Ostdeutschland heute schon eine höhere Steuermesszahl als in Westdeutschland, die die Besteuerung angleichen soll. Es gibt jedoch einen Haken bei vielen kursierenden Grundsteuerschätzungen, wie auch bei der des Bundesfinanzministeriums: Sie gehen häufig von konstanten Hebesätzen der Kommunen aus, dabei herrscht genau an dieser Stelle die größte Unsicherheit. Kommunen dürfen auch nach einer Reform der Grundsteuer frei über ihre Hebesätze entscheiden.
Die Kommunen können laut dem Eckpunktepapier künftig auch über eine Grundsteuer auf baureife, unbebaute Grundstücke entscheiden. Damit soll der spekulative Handel mit Bauland eingedämmt werden.

  6. April 2019
  von: iws.immobilien
  Kategorie: Allgemein